Frauengeschichte / Frauenkultur
Die Geschichte der Frau wird in den Schulen marginal bis gar nicht behandelt. Dieses Fokus brauchen wir Frauen aber, um Vorbilder zu haben und wissen, woher wir kommen
Nachfolgende Auszüge stammen aus meiner Arbeit für das von mir und Jeannette Ungricht gehaltene Seminar "Orientalischer Tanz-Frauengeschichte-Massage" vom Mai 2003. Hauptthema war die Auseinandersetzung mit herrschenden Strukturen im Vergleich zu matrizentrischen Gesellschaften, die alles andere als der Gegensatz zum Patriarchat sind.
- Fachliteratur über matrizentrische Kulturen findest Du im MatriArchiv in St.Gallen, das zu der Kantonsbibliothek gehört;
meine Texte zum Thema hier (2018) - Links dazu hier
- Meine Frauentexte hier (2016 & 2018)
Die Kapitel dieser Arbeit behandeln folgende Themen:
- Matrizentrische Gesellschaften der Frühzeit
- Das religiöse Weltbild matrizentrischer Gesellschaften
- Patriarchale Vereinnahmung
- Die Entstehung des feministischen Bewusstseins
- Situation heute
- Der Orientalische Tanz
Auszug aus der Einleitung
Das Thema dieser Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaftsstruktur und der heutigen Situation der Frau darin. Mit dem Ziel, unser Bewusstsein zu stärken und unsere Frauengeschichte kennen zu lernen, wird der grosse Abschnitt der «vor-historischen» Zeit in den Schulen kurz bis gar nicht durchgearbeitet. In meinem Fall beispielsweise fingen wir den Geschichtsunterricht mit dem Thema des antiken Griechenlands und etwas ägyptischer Geschichtsschreibung an, ohne jedoch andere als die zu dieser Zeit schon herrschenden patriarchalen Herrschaftsstrukturen zu erwähnen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es als ziemlich gesichert gilt, dass in gewissen Gesellschaften tausende Jahre lang in mutterrechtlichen Gesellschaften gelebt wurde, bevor vor ca. 4000 Jahren das Patriarchat das Regime langsam aber sicher übernahm. Dadurch wurde die Frau auf ihre Reproduktionsfähigkeit reduziert, die Sexualität als vitale Lebenskraft verteufelt und die ebenbürtigen Aufgaben der Frauen massiv beschnitten.
Anmerkung 2022:
Zu beachten ist: die neueren Forschungen zeigen auf, dass Gesellschaftsformen mit verschiedenster Ausprägungen seit jeher existieren. Dass es Gesellschaften gab, die ihre Gellschaftsformen sogar saisonal änderten. Es existierten Varianten, die für uns schwer vorstellbar sind, weil wir auf eine "monokulturelle" Form geprägt sind.
Das erstaunt nicht. Menschen waren seit jeher extrem kreativ und opportunistisch.
Auszug aus dem Kapitel «Orientalischer Tanz»
Mit dem Hintergrundwissen, wie Frauen in matrizentrischen Gesellschaften gelebt und an was sie geglaubt haben, können wir mit einem anderen Bewusstsein tanzen, und Bewegungen können eine tiefere Bedeutung erhalten.
Wenn wir diesem Tanz seine Würde zurückgeben wollen, müssen wir seine Wurzeln berücksichtigen. Nur durch dieses Wissen können wir ihn auch auf unsere Weise weiterentwickeln. Dies löst jedoch starke Widerstände auf Seiten vieler arabischer Tänzerinnen aus, die dieses Kulturgut als das Ihre auffassen und bewahren wollen – mit Recht aus ihrer Sicht.
Kultur ist nicht statisch, sondern wird den jeweiligen Lebenssituationen und -umständen angepasst und ist Ausdruck davon. Der Orientalische Tanz entwickelt sich bei uns anders weiter als im arabischen Raum. Veränderungen sind legitim und ein Bedürfnis vieler Künstlerinnen und Künstlern, bedingen aber von uns westlichen Frauen eine tiefe Dankbarkeit gegenüber jenen, die den Orientalischen Tanz über Jahrtausende hinweg bewahrt und gepflegt haben als Schatz einer uralten Kultur. Wendy Buonaventura, Leila Haddad und Suraya Hilal – bekannte in Europa lebende Tänzerinnen – sehen den Weg der Weiterentwicklung in der Bühnenarbeit. Wenn der Tanz auf der Bühne gezeigt wird, muss er neu definiert werden. Viele KünstlerInnen gehen mit Sorgfalt an diese Aufgabe heran und verzeichnen grosse Erfolge damit. Es liegt an uns westlichen Lehrerinnen, die Frauen über die Hintergründe und den Respekt für diese Kultur zu sensibilisieren. Ich persönlich vertrete den Weg der Gemeinschaft, das matrizentrische Gesellschaften so stark von der Unsrigen unterscheidet. Wenn wir dieses Gemeinschaftsgefühl ohne Konkurrenzdenken (das bedeutet nicht ohne gesunden Ehrgeiz) in die Tanzklassen einfliessen lassen können und Leistungen individuell und relativ beurteilen, dann weitet sich dieses Denken vielleicht auch auf andere Lebensbereiche aus.
© Copyright Text: Irene von Salis Williams